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Kolumne

Immer wieder Sonntags 219

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|Gesehen| „Wissenschaftler haben auch Gefühle“ und „Mach‘ mal Pause, Europa!
|Gehört| gestern auf jeden Fall meine „Wut-Playlist
|Getan| gearbeitet, gekocht, geschrieben, gegangen, getröstet, geredet, gelesen, gewütet, geweint, geärgert, gelernt, gewundert, gebildet
|Gefreut| über neue Anziehsachen und viel Regen
|Gelesen|Heinz Erhardt – Die Gedichte*“, „Ich bin dann mal weg*“, sowie in Hörbuch-Form „exit RACISM*“ und „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten*“
|Gekauft| neue Anziehsachen, einen Blumentopf für den Balkon*, sowie das Buch „ADHS im Erwachsenenalter*“
|Geliebt| lesen, tanzen, wüten
|Geschrieben| nix
|Geplant| Auto in die Werkstatt geben und dann ne neue TÜV Plakette bekommen


Meine Wut

Vorweg: wenn Frauen wütend sind, dann hört man oft „Kriegst du deine Tage?“ oder „Diese Zicke“ oder „Ach, wie süß.“ oder „Ist der Mond“ oder „Brauchst mal guten Sex!“. Ich möchte nochmal ganz klar machen, dass Frauen auch aus anderen Gründen wütend sein dürfen und wütend SIND. Wut ist nichts Schlimmes, sie darf ausgelebt und gefeiert werden, auch von einer Frau.

In mir arbeitet es seit einigen Monaten aus ganz unterschiedlichen Gründen. Es findet gerade in vielen Bereichen ein Wandel statt, Innen wie Außen. Einiges davon kann ich noch nicht einordnen, manches (noch) nicht beeinflussen, wieder anderes ist starr und unveränderlich oder gerade im Aufbruch, aber noch still stehend. Ein wirrer Mix aus Veränderungsdrang, Sehnsucht, Wachstumsschmerz und Weltschmerz wirbelt in mir. Dazu Gefühle der Unzulänglichkeit, Hilflosigkeit und des „Nicht genug seins“. So vieles ist da an „ungelebten“ Gedanken und Gefühlen, an Vorhaben, Zielen, Ideen. All das und gefühlt noch viel mehr, akkumuliert sich in einem heftigen Wut-Klotz.

Die letzten Tage war es wieder so, wie vor einigen Wochen: ich war SO wütend, dass ich schon morgens einen Kloß im Hals hatte und kurz darauf, völlig unvermittelt, vor Wut angefangen habe zu weinen. Sobald ich die Augen aufmache, habe ich das Bedürfnis irgendwas kurz und klein schlagen zu müssen. Jede noch so kleine Kleinigkeit, die nicht funktioniert, potenziert meine Wut ins Unermessliche.

Ich befinde mich gerade in einem Lebensabschnitt, der mir gehörig auf den Sack geht. In vielen Bereichen wünsche ich mir Veränderung, muss aber einsehen/akzeptieren, dass ich diese Veränderung (noch?) nicht aktiv oder nicht sofort beeinflussen kann. Ungewollte Hilflosigkeit und Stillstand. Meine eigenen Ansprüche stecke ich so hoch, dass ich sie auf gar keinen Fall erfüllen kann und mich in meinem „Ich bin nicht genug“ bestätigt sehe. Und unfairer Weise lasse ich meinen gesamten Frust dann an Marius aus. Das macht mich alles rasend vor Wut.

Was mich außerdem wirklich, wirklich wütend macht: „draußen“ tun die Menschen so, als wäre alles wieder beim Alten. Gefühlt hat NIEMAND irgendwas aus Corona gelernt. Die Wursttheken sind voll mit Menschen, die Einkaufswagen voll mit Billigfleisch zur Grillsaison. An der Kasse hauchen sie mir schon wieder in den Nacken und rammen mir ihre Ellenbogen in die Nieren. Straßen, Cafés, Geschäfte: überfüllt. Konsum geht ihnen über alles. Sie stöhnen, ungeduldig und sind (gefühlt) noch unzufriedener und gestresster als vor Corona. Der einzige Trost für mich ist die Erkenntnis, dass den Menschen nicht nur Umwelt und Tiere egal sind, sondern gleichermaßen auch ihre Mitmenschen. Ist also offenbar ein „globales“ Phänomen.

Den Samstag habe ich dann jedenfalls komplett meiner Wut gewidmet. Nach einem Heulanfall und einem Spaziergang, auf dem wir die Frage „Liegt mein Fokus vielleicht zu sehr auf dem was ich nicht habe?“ mit „Nein.“ geklärt hatten, habe ich meine geliebte Kali Meditation gemacht.

Erst 10 Minuten intensiv und schnell atmen, um die Energie aufzubauen, dann ausflippen und mit einem Kissen alles kurz und klein schlagen (das schreien habe ich leider unterdrückt, wollte nicht, dass meine Nachbarn die Polizei rufen :-D ). Meist fange ich während dem Ausflippen dann schon an zu weinen und lege mich dann irgendwann erschöpft-weinend auf den Boden. Später habe ich dann noch zu meiner Wut-Playlist getanzt (siehe oben) und einige Fragen rund um meine Wut beantwortet, um das alles selbst besser einordnen zu können.

Meine gestrigen Erkenntnisse (manches davon habe ich schon mal erkannt, aber offenbar wieder vergessen… … …): meiner Wut Raum zu geben, ihr zu zuhören und sie zu versuchen zu verstehen, ist enorm wichtig. In mir ist viel Schmerz und ein Haufen unterdrückter Gefühle.

Meine Wut schreit: Achte (auf) Dich! Sei mild mit dir. Gib dir Zeit. Bleib bei dir. Hör auf dich. Sei du selbst. Hör auf, im Außen zu sein.


Meine Gewissheit

Beim Spaziergang gestern sprachen Marius und ich darüber, ob ich vielleicht den falschen Blick auf meine Situation habe und mich zu sehr auf das fokussiere, was ich noch nicht kann/erreicht habe/verändert habe/verstanden habe o.ä.

Aber das ist es nicht. Denn neben all dieser Wut ist da eine zufriedenstellende Gewissheit in Bezug darauf, dass ich weitestgehend zufrieden bin und mir meiner Privilegien, meinem „Luxus“ (im Sinne meiner Lebensumstände), meinem Können usw. bewusst bin. Ich bin mir im Klaren darüber, was ich alles bereits verändert habe und dass es mir, insbesondere bezogen auf meine Lebensumstände, nie besser ging als bisher. Ich erliege nicht der Illusion, dass alles besser wird, wenn doch nur x endlich eintritt. Und ich verspüre nicht den Drang, aus meinem Alltag ausbrechen zu müssen.

Im Gegenteil bin ich mit meinem Alltag sehr zufrieden. Abgesehen von den äußeren Umständen in Form des nicht optimalen Wohnortes und einiger privater suboptimaler Situationen, bin ich glücklich.

Es beruhigt mich regelrecht zu bemerken, dass ich nicht „Endlich mal hier raus muss, um was anderes zu sehen.“ Dass ich nicht das Bedürfnis verspüre, (gerade auch jetzt) in den Urlaub fahren zu müssen oder irgendwas kaufen zu müssen, um meinen Alltag erträglicher zu machen und mich wohler zu fühlen. Das nochmal reflektiert zu haben tat mir gestern sehr gut.


Rassismus, Hetze & Show

Das Thema Rassismus war in dieser Woche in den sozialen Medien sehr präsent. Auch wenn es mich verwundert, dass das Thema erst jetzt mit George Floyd so aufkocht („Der Rassismus ist nicht schlimmer geworden, er wird jetzt nur gefilmt“).

Ich habe in dieser Woche viel Zeit damit verbracht, mich in Bezug auf das Thema „Rassismus“ weiterzubilden, zu recherchieren, zuzuhören, umzudenken und zu verstehen, stehe aber doch ganz am Anfang und weiß eigentlich nur: Die gesamte Welt ist meilenweit entfernt davon, dass alle Menschen gleich sind.

In meiner kleinen Blase, auf 70 qm und ein bisschen drum herum, da spielt Rassismus für mich keine Rolle. Das ist ein unfassbares Privileg. Das bedeutet aber leider nicht, dass Rassismus nicht existiert. Im Gegenteil: Es ist ein RIESEN Thema.

Gerade in Deutschland distanziert man sich ja immer massiv von dem „Rassismus-Ding“. Wir? Rassistisch? Niemals! „Alle Menschen sind gleich.“

Aus der Sicht derjenigen, die anders behandelt werden (nicht nur Schwarze, sondern auch Menschen mit Handicap, Wohnungslose, Homosexuelle usw.) ist dieser Satz eine Farce. Sie sind es, die jeden Tag zu spüren bekommen, dass dieser Satz eine Floskel ist, die nichts verändert.

Unser System beruht auf Ausbeutung & Ausgrenzung und wir alle sind daran beteiligt und profitieren davon. Allein der Großteil dessen, was wir konsumieren, beruht auf der Ausbeutung anderer (z.B. in Form von billigen Arbeitskräften, Kinderarbeit etc.).

Tja und leider ist es eben nicht genug, wortlos eine schwarze Kachel in den sozialen Medien zu posten und zu sagen „Ich bin nicht rassistisch“ (dafür ist dieser Akt aber natürlich sehr medienwirksam und sorgt für eine vermeintlich „weiße Weste“ <- eine, in diese Zusammenhang, besonders brisante Redeweundung“).

Ich finde es essentiell, dass wir uns weiterbilden. Dass wir aufstehen, reden, uns für andere einsetzen, aufklären, Verantwortung übernehmen, über den Tellerrand blicken, ehrlich zu uns sind, aufhören zu diskutieren und zu schweigen, dafür anfangen zu handeln und unseren Worten Taten folgen zu lassen. Ich stehe da ebenso am Anfang wie die meisten anderen Menschen.

Gleichzeitig finde ich es unsagbar schwierig, all das mit Gewalt, Wut und Schuldzuweisungen durchboxen zu wollen (in Bezug auf die Hetze die Weiße gegen Weiße ausüben). Man wird gehated, weil man nicht aktiv/laut genug/öffentlich bekennend ist und deshalb als Rassist abgestempelt. Man wird gehated, weil man sich falsch ausdrückt. Man wird gehated, weil man in Frage stellt, ob Gewalt und Hass wirklich sinnvolle Mittel sind.

Das ist wie mit Attila Hildmann, der mit seinen Verschwörungstheorien ein falsches Licht auf Veganer wirft und damit einen Teil des Fortschritts zunichte macht. Es schadet der gesamten Bewegung. Genauso wie mit Gewalt zu versuchen, eine antirassistische Welt zu erschaffen und den Menschen die Augen zu öffnen dazu führt, dass viele nur die „linksversifften Spinner“ sehen. Wut ist sicher ein guter Antrieb, aber Gewalt kein guter Ratgeber bzw. vor allem auch keine langfristige Lösung. Sie spielt den Gegnern letzten Endes nur in die Karten.

Es geht nicht darum, Wut zu unterdrücken, lieb und leise zu sein oder nichts mehr zu sagen. Aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass man die Menschen nicht mit Vorwürfen und Zurechtweisungen erreicht, sondern in dem sie ins Gefühl kommen. Letzten Endes hat George Floyds Schicksal das auch nochmal bewiesen. Denn wir alle konnten sehen UND hören, was mit ihm passiert ist und damit ein Stück besser nachvollziehen und verstehen, welches Unrecht da geschieht. Hätte es das Video und die Gefühle nicht gegeben, so wäre George Floyd, genau wie z.B. Oury Jalloh oder viele andere Opfer, einfach nur ein bedauerlicher „Einzelfall“ gewesen.

Was uns nicht direkt betrifft oder betroffen macht, ist uns (meistens) egal oder wird eben fix mit irgendeiner passend zum Thema designten „Kachel“ abgehakt. Rassismus, Umweltschutz, Menschenrechte, Tierquälerei, Inklusion, Armut usw. jeder von uns kennt irgendein Thema, für das andere täglich kämpfen müssen und das uns, aus irgendeinem Privileg heraus, egal ist. Es gibt viel zu tun, in vielen Bereichen. Die Frage ist nur: wann fangen wir endlich an?


Meine Oma

Marius und ich waren letzten Sonntag bei meiner Oma. Davon wollte ich die ganze Zeit erzählen, aber fand bisher nicht die richtigen Worte. Wir waren fast fünf Stunden bei ihr und es war ein richtig schöner Nachmittag.

Mit Marius an meiner Seite gelingt es mir immer besser, meine Oma bzw. vor allem ihr Verhalten aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich habe ihr z.B. auf Grund ihres sehr „harten“ Verhaltens, manchmal die Fähigkeit zu lieben abgesprochen (besonders bezogen auf meinen Opa).

Marius meinte letztens: „Aha. Und wie kommst du darauf, das beurteilen zu können? Oder wieso willst du das beurteilen? Deine Großeltern haben sich oft angeraunzt, aber in der nächsten Sekunde wieder miteinander gelacht. Nur weil die Liebe, die sie nach Außen gezeigt haben, nicht deiner Definition entspricht, heißt dass doch nicht, dass sie sich nicht lieben?“. Tja. Wie immer hatte Marius Recht.

Oma und ich telefonieren aktuell täglich und sie hat von sich aus das Thema „Liebe“ angesprochen. Sie sagte: „Weißt du Sandra, manche sagen, wir hätten uns nicht geliebt und immer nur gestritten. Der Opa war nicht immer einfach und ich auch nicht. Aber wir haben uns so genommen, wie wir sind. Mal hat der eine den anderen zurecht gewiesen, mal umgekehrt. Ich musste den Opa ja auch erziehen, der ist Skorpion und wollte alles an sich reißen. Und ich hatte Angst, wieder so von einem Mann abhängig zu sein und mich in die Nesseln zu setzen. Da wäre ich doch bescheuert gewesen!“

Aber auch als sie und Sonntag erzählte, dass sie viele Handlungen meines Opas in den letzten Monaten gar nicht so wahr nahm und jetzt erst begriff, dass er sie auf das Leben ohne ihn vorbereitet hat. Sie ist von Schmerz erfüllt. Aber selbst wenn ich das jetzt nicht mit ihr erlebt hätte: wer bin ich eigentlich, verdammt nochmal, ihr diese Liebe abzusprechen?

Ihre Härte ist eine Schutzstrategie. Auch diese Erkenntnis hatte ich schon mal, aber jetzt ist sie irgendwie noch klarer. Mir wurde auch nochmal klar, dass ihr Verhalten eine Geschichte und damit viele Ursachen hat. Die zwar nichts entschuldigen, aber vieles verständlich und manches nachvollziehbar werden lassen.

Omas und veganes Essen (Part II)

Nachdem wir 2018 ja schon Marius 92-Jährige Oma mit unserem veganen Essen begeistern durften (hier unter „Samstag“ nachzulesen), hat mich nun auch meine fast 80 jährige Oma erstaunt.

Ich hatte ihr, aus einem Bauchgefühl heraus ohne lang nachzudenken, angeboten für sie zu kochen und dabei kurz vergessen, dass wir vegan essen. Es ist nicht so, dass ich davon ausgehen würde, dass unser Essen nicht schmeckt (ganz im Gegenteil sogar!), aber eine 79 Jährige Frau, für die tierische Produkte für Wohlstand stehen und absolut dazu gehören, von „solchem Essen“ zu begeistern, ist ein gewagtes Unterfangen. Besonders wenn der Kühlschrank leer ist und wir Samstagabend haben.

Mein Ziel war es also, dass meine Oma satt wird. Ich habe sie gefragt, ob sie sich vorstellen kann, Linsen Bolognese zu essen. Auf ihre Frage, was das sei, erklärte ich ihr, dass die Linsen als Alternative zum Hackfleisch genutzt werden. Sie fand das „seltsam, aber ok“.

Ich habe wirklich Schiss gehabt, was meine Oma zum Essen sagen würde. Denn normalerweise reichen ihre Kommentare von „Oah ne, wie eklig“ bis „Ach du Scheiße!“ und zwar ohne dass sie jemals was probiert hat. Sie ist also eigentlich so richtig Anti-Anti-Anti veganes Essen :-D

Vor ein paar Tagen rief meine Oma mich dann an und eröffnete das Gespräch mit den Worten „Ich wollte dir noch Feedback zu deinem Essen geben.“. Ich dachte direkt: „Scheiße!“ und war gerade dabei meinen Schutzpanzer auszufahren, damit ich nicht unnötig wütend werde oder mich gekränkt fühle. Da sagt sie doch tatsächlich: „Das war unwahrscheinlich lecker. So sättigend und würzig. Das hätte ich nie gedacht. Ich mag zwar Nudeln nicht so, aber das Essen war trotzdem ganz köstlich. Ich habe mich richtig gefreut, dass ich zwei Tage davon essen konnte. Du darfst mich ruhig öfter bekochen.“

Ich habe daraufhin gefragt: „Oma? Bist du es wirklich?“ sie lachte und sagte „Ja, ich war auch etwas irritiert. Aber ich bin es“ :-) Toll. Ich hab mich wirklich so sehr darüber gefreut. Sie achtet mittlerweile auch immer mehr darauf, wenn sie uns was zu essen anbietet, ohne es negativ zu hinterfragen. Was für ein RIESEN schönes Entgegenkommen.

Und sonst so?

Sonst habe ich diese Woche mit viel Arbeit verbracht. Wir tüfteln gerade an einigen Baustellen und haben die ein oder andere Idee begonnen umzusetzen. Außerdem geht es Bongo mal wieder schlechter und er braucht viel Aufmerksamkeit, Liebe und Zuwendung. Das war es. Euch einen schönen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.

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