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Kolumne

Immer wieder Sonntags 131

Jedes Mal nehme ich mir vor, dass ich mir diese Woche aufschreibe, was ich alles gemacht habe, damit ich mich noch daran erinnern kann. Aber irgendwie will es mir nicht so recht gelingen. Also fange ich heute mal wieder Querbeet an und schaue, was so alles raus möchte. Diese Art von „Immer wieder Sonntags“ kommt bei Euch ohnehin am besten an.

Nach langem überlegen habe ich mich vor ein paar Monaten doch nochmal dazu entschlossen, eine Therapie zu machen. Meine Angst ist Ende letzten Jahres, mit den Problemen auf der Arbeit, wieder schlimmer geworden. Sie begleitet mich mein Leben lang und das war bisher auch okay (wobei wohl eher „verdrängt okay“). Aber jetzt, wo ich so langsam auf meinem Weg und bei mir ankomme, möchte ich eigentlich auch lernen, mit meinen Ängsten besser umzugehen und auflösen, was aufzulösen ist.

Momentan bin ich noch in der Kennenlernphase (allerdings war ich schon beim Telefonat in die Therapeutin „verliebt“ und wusste von Anfang an, dass Sie genau richtig ist), aber schon im zweiten Gespräch sind ihre Methoden eingeschlagen wie eine Bombe. Ich sollte hinfühlen. Welche Gefühle sind in mir? Wo sind sie? Wie sind sie? Rund oder eckig? Groß oder klein? Bunt oder schwarz? Laut oder leise? Was rieche ich? Was fühle ich? Was schmecke ich? Und dann zulassen, was da ist. Es Willkommen heißen und da sein lassen.

Nachdem ich zuerst Verbundenheit spürte, war ziemlich schnell die Angst da. Und mit ihr schnelles atmen, ein Elefant der auf meiner Brust sitzt und irgendwie nach Holz riecht. Die Angst da sein zu lassen und zu schauen, was sie mir sagen will, hat mich verwirrt und verunsichert. Ich musste erkennen, dass ich all die Jahre ganz unterschiedliche Vermeidungs- und Verdrängungsstrategien anwandte, um die Angst los zu werden. Aber ich sah nie hin, hab sie nie gefragt, warum sie da ist.

Ich habe lange „gelernt“, dass meine Gefühle Quatsch sind. „Das ist aber nicht so.“ „Das bildest Du Dir ein.“ „Das ist psychosomatisch“ BlaBlaBla. Auch von etlichen Ärzten musste ich mir solche Sätze anhören. Fehldiagnosen ohne Ende. Statt einem simulierten Schwindel hatte ich eine Neuropathia vestibularis. Statt einer eingebildeten Müdigkeit eine Schilddrüsenerkrankung. Selbst ein Kinderarzt sagte mal, ich würde simulieren mit meinem Husten, dabei hatte ich Keuchhusten und entwickelte in Folge dessen einen Lungenentzündung.

Irgendwann bin ich gar nicht mehr zum Arzt gegangen, weil ich wusste, dass mich niemand ernst nehmen würde. Genau so habe ich auch meine Angst behandelt. „Alles wird gut. Du musst keine Angst haben weil Du Dir das nur einbildest. Das ist totaler Quatsch.“. Zwar habe ich mich auch jahrelang intensiv mit meinen Ängsten beschäftigt, aber wirklich rein gefühlt und in die Angst gegangen, sie gesehen und „gestreichelt“, das eben nicht.

In der Therapiestunde habe ich einen Hauch dessen gespürt, was in den nächsten Monaten auf mich wartet und möglich ist. Ich konnte das Licht am Angst-Horizont sehen und habe gespürt, dass diese Frau genau richtig für mich ist. Das war toll!


Nahtlos übergegangen ist dann gefühlsmäßig der Gefährtinnen-Abend am Donnerstag. Der Fokus lag auf dem Herz-Meridian und der Liebe. Es gab unterschiedliche Experimente, die mir alle gleichermaßen gut gefielen und gut taten. Der Brustbereich wurde geöffnet und ich konnte mich vollends fallen lassen. Nach dem Workshop war ich erfüllt von absolutem Frieden. Es gab einen Moment, in dem ich kurz erschrak weil ich feststellte, dass mein Kopf quasi „gedankenlos“ war. Dass ich einige Augenblicke wirklich frei war, von den eigenen Zwängen. Und der Elefant auf meiner Brust wurde zum Schmetterling. Ein Gefühl, dass mich echt sehr berührt.

Glaube, nach der Therapie, muss ich diese Elefanten-Schmetterling Sache nochmal in einem Bild festhalten.


Ein weiterer Moment hat mir gezeigt, welche Sprünge ich gerade mal wieder in Sachen Lebensveränderungen mache (hier hab ich ja schon viel dazu geschrieben, auch da bedarf es wohl im nächsten Jahr nochmal ein Update, hm? :-) ). Denn gestern waren Marius und ich auf der Geburtstagfeier seiner Tante in Werne. Das machen wir öfter mal. Bis dahin also nichts Besonderes. ABER! Ich war nüchtern und habe getanzt. Nicht unglaublich viel und ausgiebig, aber ich HABE getanzt. Auch das treibt mir vor lauter Stolz Tränen in die Augen.

Weil es ganze Felsbrocken sind, die da die letzten Monate, dank der Workshops und natürlich vor allem dank mir, abfallen durften. Für Andere klingt das mit Sicherheit kaum nachvollziehbar. Es ist aber ein riesen Ding für mich. Das Tanzen steht für mich für Freiheit, für Selbstliebe und Akzeptanz.

Ich habe es schon oft erzählt: ich habe nie getanzt. Maximal wenn ich wirklich richtig betrunken war. Ich habe mich immer ganz fürchterlich gefühlt, wenn ich nicht getanzt habe. Gleichzeitig habe ich mich auch ganz fürchterlich gefühlt, wenn ich getanzt habe. Im letzten „Immer wieder Sonntags“ steht dazu mehr. Dass ich diese Gefühle mal überwinden würde, habe ich nicht für möglich gehalten.

Je öfter ich tanze, desto leichter fällt es mir und desto glücklich werde ich. Auf einer Party, mit über 40 Personen, die ich beinah alle kannte, auf die Tanzfläche zu gehen und zu tanzen, das ist für mich so schwer wie ein Marathon. Quasi unüberwindbar. Wie wunderwunderherrlich, dass ich das schon jetzt geschafft habe.


Dienstag waren wir außerdem schon wieder beim Gericht. Wegen einem dämlichen Arbeitszeugnis, das einfach nicht geschrieben wird. Seit April. Ich hab es schon für absolut lächerlich gehalten, deswegen Klage einreichen zu müssen, aber dass danach immer noch nichts passiert und der Beklagte dann sogar noch dem Termin fernbleibt und in Kauf nimmt, dafür eine hohe Strafe zu zahlen… wow. Aus dieser gesamten Sache habe ich wirklich viel für’s Leben gelernt.


Diese Woche gab es noch eine, für mich, ganz wichtige Erkenntnis. Ich bin ein Mensch, der voller Vorurteile war und ist. Dass Veganer keine mangelernährte Freaks sind, weiß ich ja nun seit einem Jahr selbst (EY! Ich feier Ende des Monats echt mein 1-Jähriges Vegan-sein – wie irre ist das?). Aber es gibt noch viele andere Vorurteile, die einfach so in meinem Leben mitschwingen. Darunter bisher auch das Folgende:

„Diese grünen Aktivisten in den Bäumen im Hambacher Forst, alles alternative Spinner! Jaja, rettet die Bäume, rettet den Wald. Bisschen übertrieben, für so ein bisschen Land.“

Ich habe mich mit der Geschichte des Hambacher Forst bzw. des Bürgerwaldes NIE beschäftigt. In all den Jahren war für mich klar: da hausen halt so’n paar Alternative im Wald. Ende. Ich habe nie hinterfragt, was die Medien mir da an Informationen präsentieren, habe es nie für nötig gehalten, mich näher damit zu beschäftigen.

Und dann erfahre ich durch Zufall, dass dieser Wald seit 12.000 Jahren existiert. Dass unzählige Menschen vertrieben, Dörfer, Kulturgut (wie z.B. der Immerather Dom) und Lebensräume zerstört wurden. Für den mittlerweile unnötigen und absolut überholten Braunkohleabbau. Weil die Lobby dahinter so riesen groß ist. Das muss man sich mal reinziehen.

Wie müssen sich all diese Menschen fühlen, die seit Jahren in dem Wald wohnen und alleine gegen Windmühlen kämpfen? Nur weil wir, als Masse, glauben, was die Medien uns präsentieren? Ähnliche „qualitativ hochwertige Berichterstattung“ findet ja gerade auch in Sachen Daniel Küblböck statt. Da möchte man kotzen. „Hat er Frauenkleider getragen? WAS! Nein wirklich? Oh. Ja der war auch ein Spinner. Kein Wunder aber Rest in Peace.“

Zwei gute Gründe, Mahnmale, die mich daran erinnern, dass es dem Großteil der Medien nur um Meinungsmache geht und nie um wertfreie Berichterstattung. Daran werde ich mich künftig beim Konsum jeglicher Nachrichten erinnern.

Und jaja, auf Instagram kamen auch gleich die Leute und sagten „Schön, dass Du mit Menschen sympathisierst, die mit Exkrementen und Molotowcocktails werfen.“. Wie immer hat alles Licht- und Schattenseiten.


Ansonsten haben wir diese Woche vor allem gearbeitet. Es war extrem viel los und wir entsprechend gestresst. Heute versuchen wir zur Ruhe zu kommen. Wir waren erst um vier zu Hause und hängen entsprechend in den Seilen. Mal schauen, was der Tag noch bringt :-)

|Gesehen| wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird (ich liebe es! dieses Jahr hatten wir insgesamt vier auf dem Balkon, leider hab ich die Schmetterlinge/Motten dieses Jahr aber nicht zu Gesicht bekommen, die letzte ist wohl gestern im Laufe des Tages geschlüpft, als wir schon in Werne waren)
|Gelesen| Blühende Fantasie* (zu Ende gelesen, insgesamt konnte mich das Buch nicht sooo vom Hocker reißen, es sind ein paar nette Ansätze drin aber mehr (für mich) leider nicht) 
|Gehört| nada
|Getan| gewachsen, gelernt, reflektiert, verändert, gelacht, getanzt, geschrieben, gearbeitet, gewundert
|Gegessen| siehe Was essen wir heute
|Gedacht| wie schön es ist, dass Du jeden Tag lernen und wachsen und neu denken kannst <3
|Gefreut| über mich
|Geärgert| über die Oma im Aldi, die mich zwischen „Grabbeltisch“ und ihrem Einkaufswagen einklemmte weil sie gierig auf die Klamotten war und mir dann, nachdem ich sie freundlich darauf hinwies, mitteilte, dass sie schwer-behindert ist und deshalb nicht anders könnte, als mit dem Einkaufswagen da zu stehen. Zum Glück hat eine ältere Dame gesagt „Eine Behinderung als Ausrede für die eigene Gier zu nehmen ist wirklich nicht schön.“
|Gewünscht| ein Haus in den Bergen JEEETTZZZZT! 
|Gekauft| Seelenwege: Die magische Reise einer Frau zu sich selbst“ und diesen Pullover, den ich seit Monaten anschmachte und der jetzt endlich reduziert wurde :-D
|Geliebt| miiiich!
|Geschrieben| für diese Woche öffentlich nur Was essen wir heute, insgesamt aber deutlich mehr (das kommt aber erst noch :-D)
|Geplant| arbeiten und mit Martha zum Frühstück tiefsinnige Gespräche führen

2 Antworten auf „Immer wieder Sonntags 131“

Ängste. So ein großes Thema! Ich habe auch schon seit Jahren & teilweise sehr extrem damit “zu tun“ & staune immer wieder über die Tiefe & die Weite dieses Themas, dieses Teilspektrum unserer Gefühle. Ein Patentrezept kenne ich noch immer nicht – auch nicht nach diversen Therapeuten, unzähligen Büchern & Podcasts & viel Selbsterfahrung durch Meditation & Co. .. Aber ich erlebe es genauso wie du: Je mehr ich hinschaue, hinfühle, zulasse & die Ängste umarme, desto besser kann ich mit ihnen umgehen. :) “The only way out is through“, habe ich letztens in diesem Zusammenhang gelesen. Und ich glaube, das trifft es ziemlich auf den Punkt. Ran da, durch da .. und niemals vergessen, dass all unsere Gefühle uns helfen wollen. Manchmal sehr unbeholfen, weil sie uns immer noch behandeln wie Höhlenmenschen, aber sie sind jederzeit für und nicht gegen uns. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinem Weg durch & mit der Angst & freue mich, wenn du uns auf dem Laufenden hälst. :)

Caro, das hast Du wunderschön geschrieben und Du hast total recht! Ich lasse Euch auf jeden Fall ein Stück an meinem Weg teilhaben!

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