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Aus dem Leben Gedanken

Freundschaften und ich


Ich hatte nie unsagbar viele Freunde, mit denen ich von morgens bis abends unterwegs war und über Gott und die Welt sprach. Keine riesige Clique. Keine fetten Geburtstagspartys mit zig Freunden (mein 18. ausgenommen, da kannte der Großteil der Gäste allerdings gerade mal meinen Namen ;-)).

Mein Freundeskreis war und ist sehr klein und umfasst wenige, engere Bezugspersonen. Das Gefühl einer wirklich „Verbundenheit“, so wie ich sie mir vorstellen würde, kenne ich außerhalb meiner Beziehung nicht. Ich fühlte mich in alten Freundschaften häufig außen vor, unwichtig, nicht gesehen und nicht wertgeschätzt (hier weiter unten etwas mehr zum „nicht gesehen werden“)

Die meisten Freundschaften hatten mir nichts Positives zu geben, verliefen nach kürzester Zeit im Sand. Ich fühlte mich vor dem PC oder wenn ich draußen in der Natur war am wohlsten. Oft fragte ich mich, warum das so ist. Redete mir ein, dass ich eine miese Freundin bin, die viel zu hohe Ansprüche stellt. Dass ich komisch bin und andere deshalb auch nicht sonderlich an mir interessiert sind.

Freundschaften waren für mich enttäuschend

Rückblickend betrachtet ist es kein Wunder, dass sich mein wichtiger Austausch meist auf Menschen aus dem Internet (zu denen mein Freund Marius ab 2002 gehörte) beschränkte, mit denen ich seit Jahren Kontakt hatte und die ähnlich tickten wie ich.

Meine realen Freunde gaben mir oft das Gefühl, sich nicht für mich zu interessieren. Wann immer sie sich meldeten, war ich Feuer und Flamme, wurde am Ende des Gesprächs aber enttäuscht. Aus meiner Erfahrung heraus meldeten sich die meisten nur, wenn sie etwas von mir wollten: Frust abladen, Geld leihen, Tipps haben, Hilfe bei irgendwas, lästern, schlechtes Gewissen beruhigen usw. Die Frage „Und? Wie geht es dir?“ diente zumeist dem netteren Einstieg in das eigentliche Thema.

Wenn ich wirklich anfing zu erzählen oder von mir aus anrief, hörte man mir oftmals gar nicht zu. Im Hintergrund lief der Fernseher mit der Lieblingsserie, Familienmitglieder brauchten Aufmerksamkeit, man war eigentlich mit was ganz anderem beschäftigt. Meine Antwort auf „Wie geht es dir?“ sollte kurz und positiv sein. Manchmal hörte ich sogar sowas wie „Ja, das meiste hab ich ja eh schon auf deinem Blog gelesen.“ obwohl meine Freunde genau wussten, dass das auf dem Blog nicht mal im Ansatz das war, was wirklich wichtig für mich ist. Ich fühlte mich unwichtig, ein Stück weit ausgenutzt und allein gelassen.

Mir steigen die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, wie oft es in meinem Leben vorkam, dass ein gesamter Tisch mich kurz ansah, wenn ich anfing zu erzählen und wie darauf hin einfach alle weiter redeten, als hätte ich nie was gesagt. Manchmal bemerkte man nicht mal, dass ich meine Erzählungen mitten im Satz abbrach. In solchen Momenten ist es für mich so offensichtlich, unverdrängbar, dass das was ich zu erzählen habe in diesem Moment nicht von Belang ist. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass mich das kalt lässt. Im Gegenteil verletzen mich diese Situationen ganz schrecklich. Wenn ich es ansprach entschuldigte man sich, aber es hat sich in all den Jahren dennoch nie wirklich verändert. Es ist heute noch so.

Das, was ich zu sagen hab, scheint einige in meinem Umfeld nicht richtig zu interessieren. Vielleicht verstehen sie es auch nicht. Ich weiß es nicht, aber ich spüre, dass oft gedacht wird „Die Sandra wieder, mit ihren komischen Ansichten/Interessen/…“. Die Erkenntnis kam sehr spät, dafür umso härter. Gewissheit darüber zu haben, dass meine Erlebnisse/Erfahrungen/Gedanken oftmals absolut irrelevant für mein Umfeld sind, war schwer zu ertragen. Ich hab es Jahre lang versucht zu verdrängen. „Die meinen es nicht so. Man interessiert sich schon für mich, aber…“.

Ich war schon immer mehr eine Spaßfreundin. Mit mir ging man trinken, zog um die Häuser, machte alberne Sachen. Die Freundin, die immer gut drauf ist. Aber typische Abende mit stundenlangen Gesprächen, die ich mir so wünschte, gab es nicht. Letzten Endes konnte man mit mir nichts anfangen und ich mit den typischen Vorlieben der anderen auch nicht. Weil ich Shoppingtouren lästig fand, stundenlange Telefonate gruselig, mit meinen zwei Paar Schuhen und einem Rucksack zufrieden war, Kaffee nicht mochte, in Sachen „Jungs“ eine sehr schüchterne Spätzünderin war, die keine Bettgeschichten zu teilen hatte und auch später intime Details eher nicht heraus posaunen wollte.

Es gab ein Zitat, das früher an meiner Wand hing und meine Sehnsucht und Vorstellung von Freundschaft genau beschrieb:

„Der beste Freund ist jemand, mit dem du auf der Veranda sitzt und schaukelst, ohne ein Wort zu sagen und wenn du gehst, das Gefühl hast, es sei die beste Unterhaltung, die du jemals hattest.“

Außer Marius weiß niemand, was mich wirklich bewegt, womit ich hadere.

Meine Freundschaften waren und sind bisher sehr oberflächlich. Dazu trage ich sicher meinen Teil bei. Denn irgendwann hörte ich auf, meine tieferen Gefühle und Gedanken zu teilen. Wann ich das letzte Mal mit einer Freundin aufrichtig über meine Probleme gesprochen habe weiß ich nicht. Ich erzähle von mir aus maximal das Nötigste, wenn jemand nachhakt vielleicht noch ein bisschen mehr.

Erst mit Marius an meiner Seite wurde mir klar, dass es nicht nur meine Schuld ist. Und mit ihm und seinem Umfeld, später auch mit neuen Menschen in meinem Leben, lernte ich, dass es durchaus Menschen gibt, die Interesse an mir haben und zuhören können/wollen. Diese neue Form der Aufmerksamkeit war mir die ersten Jahre wirklich unbehaglich und suspekt.

Ehrlichkeit fällt schwer

Ich erinnere mich noch an die Frage meiner ehemaligen Psychologin „Wenn Sie mit ihren Freunden oder Bekannten zusammen waren, fühlen Sie sich danach gut oder gar besser?“ und meine darauf folgende Stille. Ich wusste, dass meine Antwort ein klares „Nein!!!“ war, wollte mir das aber nie eingestehen.

Letzten Endes waren (und sind) viele Zusammenkünfte für mich frustrierend. Ich hatte nach einem Treffen nur selten das Gefühl, mich aufgeladen und besser zu fühlen. Es gab keinen brauchbaren Input, insgesamt nur wenige Gemeinsamkeiten. Meist wollte ich schnell aus der Situation raus. Entsprechend war ich viel entspannter und zufriedener, wenn ich auf solche Treffen verzichten und meine Zeit mit etwas (für mich) Schönerem verbringen konnte. Gespürt habe ich das immer, aber das Gefühl unterdrückt. Schließlich ist das „nicht normal“. Entgegen der Norm. Anti-sozial.

„Ich habe gelernt wie kräfteraubend Beziehungen sind,
die einfach nicht auf einer tiefen Ebene basieren und habe mich bewusst dagegen entschieden.“

Mit all diesen (durchaus auch schmerzhaften) Erkenntnissen im Gepäck, verändert sich meine Einstellung nun langsam. Ich stecke meine Energie nicht mehr in oberflächliche, einseitige „Freundschaften“ und typisch gesellige Runden.

Viel zu oft suche ich allerdings noch Ausreden. Ehrlich sein fällt mir in diesem Bereich schwer, weil es so sehr zu Ablehnung führt. Ich traue mich nicht zu sagen: „Ich möchte eigentlich nicht auf deine Hochzeit/deinen Geburtstag/deine Einweihungsparty/mit dir in die Stadt/zum Kaffee trinken/…“. Weil es automatisch bedeutet, jemandem etwas abzusprechen, das ihm wichtig ist. So empfinde ich es jedenfalls. Kaum jemand kann nachvollziehen, warum ich es furchtbar finde, mir stundenlang auf einem Geburtstag o.ä. den Hintern platt zu sitzen. Es ist sooo normal für Andere, aber ich kann dem Ganzen für mich trotzdem nichts abgewinnen und es fällt mir sehr schwer, das gegenüber anderen zu zu geben und meine Meinung zu vertreten.

Ich wollte früher immer wie mein Bruder sein. Den fanden alle toll. Wann immer wir irgendwo auf Familienfeiern oder anderswo gemeinsam aufschlugen, sprach man später von ihm. Wie lustig und unkompliziert und toll er ist. Wie gut man sich mit ihm unterhalten konnte. Er kann sich wirklich mit jedem unterhalten. Zur Not drei Stunden über irgendeinen belanglosen Blödsinn. Und es stört ihn nicht. Wenn jemand völligen Quatsch erzählt, nickt er und lacht später darüber, statt etwas dagegen zu sagen. Das hat er von meinem Vater. Der konnte das auch. Ich hingegen kann das nicht und entsprechend hat über mich auch niemand so positiv ausschweifend geredet :-)

Manchmal wünsche ich mir kurz nochmal, etwas Massen-tauglicher zu sein. Und dann fällt mir wieder ein, dass ich nicht mehr zwanghaft irgendwo meine Zeit verstreichen lassen, mich irgendwo rein pressen will oder das Gefühl haben, nicht richtig zu sein, nur weil ich anders bin als Andere. Weil eigentlich genau DAS es ist, was ich will: Mit mir und meinem Sein authentisch werden/bleiben.

Was lange währt

Es hat lang gedauert, um zu zu lassen, dass die Natur mich oftmals glücklicher macht und mir mehr zu geben hat, als ein Großteil meines bisherigen Umfeldes. Dass ich mich in und mit der Natur verbundener fühle, als mit vielen Menschen. Dass mich schon eine Sekunde im Wald glücklicher macht, als jeder oberflächliche Anruf und jedes Treffen, bei dem es nur um Probleme anderer, Small Talk oder Klatsch & Tratsch geht.

Freundschaft ist Verbundenheit. Diese Verbundenheit bedeutet so viel mehr als ein lapidares „Wie geht es dir und was gibt es sonst Neues? Ach so und was ich noch von dir wollte…“. Es ist ein getragen, angenommen, verstanden und gesehen werden, sein dürfen und jederzeit genug sein. Es ist bedingungsloses aufeinander einlassen, ehrlich sein, geben und nehmen, sich austauschen, ergänzen, herausfordern.

Ich habe realisiert, dass Qualität vor Quantität geht und es völlig nebensächlich ist, wie viele Freunde ich habe. Dass aber die Qualität derer, die mich umgeben, von unschätzbarem Wert ist. Man muss sich von Zeit zu Zeit emotional von denen trennen, die einem nicht gut tun. Vielleicht sogar nie gut getan haben. Falsche Verbundenheit zieht einen selbst runter, auch diese Erkenntnis kam erst sehr spät. Sie hat aber dazu geführt, dass ich mich nach fast 20 Jahren von zwei Freundinnen getrennt habe. Das tat gut und war richtig.

Ich vermisse für mich allerdings dennoch eine (nach meiner Definition) „Verbündete“. Aber ich habe auch das Gefühl, dass in Sachen Freundschaft jetzt, wo ich authentischer lebe, auch mehr möglich ist.

Für die Zukunft möchte ich etwas mehr lernen, auf mich zu achten und all diese gesellschaftlichen Zwänge zu unterlassen, wenn sie MIR nicht gut tun. Stattdessen mehr schöne Freundezeit etablieren mit Waldspaziergängen, Tee trinken, guten Gesprächen, gemeinsam lachen und schweigen.

Denn wann immer ich dachte „Ach naja, ist ja nur für ein paar Stündchen und nur 1 x im Jahr (nur 1 x im Leben/ nur xxx), stell dich nicht so an. “ und danach gespielt lächelnd dort saß, eigentlich nach Hause wollte aber ein schlechtes Gewissen hatte, habe ich mich ein Stück weit selbst verraten. Das bin nicht ich und das will ich auch nicht (mehr) sein.

4 Antworten auf „Freundschaften und ich“

Mir geht es ähnlich. Früher bin ich gerne auf solche Veranstaltungen gegangen, aber um zu gucken wie ich auf andere wirke, mich zu profilieren etc. Seitdem ich zu mir gefunden habe, durch mehrere Schicksalsschläge, habe ich das Gefühl, dies nicht mehr nötig zu haben und bin mir selbst auch einfach genug.

Liebe Daniela,
danke für deinen Kommentar.
Nein, gern bin ich noch nie hin gegangen. Früher habe ich nur nie in Frage gestellt, ob das sein muss oder ob ich meine Zeit nicht vielleicht lieber mit etwas Sinnvollerem verbringe. Aber bei mir hat letzten Endes auch das Schicksal und das Bewusstsein über unsere Endlichkeit dazu geführt, dass ich genau das anfange zu hinterfragen :.)
Mir geht es wie dir, ich bin mir selbst genug.

Hallo Sandra,
hab deinen Artikel gerade erst gelesen. Mir geht es genauso.
Ich hasse es auf gesellschaftliche Veranstaltungen zu gehen und versuche es immer wieder zu vermeiden. Das Problem ist aber, dass ich auch Angst habe nein zu sagen und dann lieber hingehe und mich darüber ärgere.
Das ich irgendwas erzähle und mir niemand zuhört, kenne ich leider auch. Ich habe aufgehört zu erzählen. Mittlerweile ist es soweit, dass ich mich komplett zurückgezogen habe und denke, dass ich nicht gesellschaftsfähig bin und das ich schuld daran bin, dass die Leute mich so behandeln. Immer nur gut genug, wenn irgendwas gebraucht wird.
Dabei versuche ich keine oberflächlichen Freundschaften zu führen. Ich versuche immer die anderen wissen zu lassen, dass ich mich für sie interessiere.

Auch das mit den machen, was einen glücklich macht ist so eine Sache. Ich bin kein Mädchen das viel rausgeht oder so. Ich sitze viel lieber auch einfach mal zu Hause und mach irgendwas. Zocken, Netflix gucken usw. Diese Zeit brauch ich. Ich brauche viel Zeit für mich. Und ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen, weil es gesellschaftlich nicht akzeptiert wird und jedesmal doofe Sprüche kommen, wenn ich sage ich war zu Hause.

Soooo genug geschrieben.
Liebe Grüße
Sarah

Hallo Sandra, ich gehe nur gerne auf Geburtstage, wenn ich weiß, dass dort Menschen sind, die ich mag und mit denen ich mich gut unterhalten kann. Die anderen Dinge treffen auch alle auf mich zu! Aktuell habe ich nur 1-2 Freundinnen, mit welchen ich wirklich auf einer Wellenlänge liege. Leider wohnen beide davon 1 Stunde weg. Auch ich kann besonders mit meinem Freund über alles reden.

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