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Aus dem Leben Gedanken

Ich war ein Messie

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Hinweis: dieser Artikel ist aus 2018. Seit dem hat sich einiges verändert. Insbesondere durch meine ADHS-Diagnose im Erwachsenenalter.

Als ich das Thema im November 2017 erstmals auf Instagram ansprach, fiel mir etwas auf, das mich in der Konsequenz dazu inspiriert hat, dieses Thema noch stärker nach Außen zu tragen: es spricht kaum jemand öffentlich drüber. Mich haben so viele Menschen angeschrieben, denen es ähnlich ging oder geht, die aber nicht mit anderen darüber reden können. Ich find das fürchterlich und möchte Betroffenen mit meiner Geschichte Mut machen.

Das Thema ist sicher das persönlichste Thema hier auf dem Blog. Eins, das ich bisher absichtlich komplett aus der Öffentlichkeit heraus hielt. Für mich ist es, bis heute, mit einer großen Emotionalität verbunden, weil diese Zeit zu einer der schlimmsten Zeiten meines Lebens gehört.

Mein (leicht emotionales) Video aus 2018 könnt ihr euch hier ansehen:

Außerdem habe ich 2021 ein Interview für den Podcast „Besser so“ mit Leon Windscheid gehabt. Dort geht es nochmal expliziter um meine Entwicklung und die Problematik, insbesondere im Hinblick auf meine ADHS-Diagnose:

Das Messie-Syndrom ist eine Krankheit

Es gibt kaum echte Aufklärung und (mediale) Präsenz zum Thema. Klar, man sieht hier und da vermüllte Wohnungen, aber was WIRKLICH dahinter steckt, wie sich der Mensch in diesem Chaos fühlt, dass niemand gerne Müll sammelt, wie man helfen kann und was man dagegen tun kann, wird nur selten thematisiert.

Auch ich habe damals Hilfe gesucht aber keine Menschenwürdige gefunden. Denn wann immer es um Messies ging, war man eine „alte Drecksau“ oder ein „faules Schwein“. Das ist natürlich leicht über die Lippen gebracht. Man kann die Menschen in solche Schubladen stecken, man wird Ihnen so aber nicht gerecht.

Messies sind keine faulen Drecksschweine!

Fakt ist, dass es sich um eine Krankheit handelt die, ebenso wie Depressionen, Burn Out, Magersucht oder Borderline, professioneller Hilfe bedarf (also keine Vorwürfe, Unverständnis oder Ablehnung) und verschiedene Ursachen hat. Nachtrag: In meinem Fall ist eine der Ursachen eine Form von ADHS (das weiß ich seit 2020).

Ich wollte mir oft Hilfe holen, aber wann immer ich danach suchte (insgesamt war meine Wohnung deutlich über 5 Jahre vermüllt), wurde man als asozial und widerlich abgestempelt. Es gab nur Entrümplungsfirmen, die laut eigener Aussagen, „auch den widerlichsten Sauställen Deutschlands an den Kragen gehen“. Wer zur Hölle ruft da noch an, wenn er ernsthaft Hilfe benötigt und auf der Suche nach Halt ist?

Es ist ein Teufelskreis

Ich wollte zu keiner Zeit für asozial, dreckig und faul gehalten werden, wusste aber auch nicht, wie ich meine Scham überwinden und jemandem erklären soll, was passiert ist, wenn ich es selbst nicht mal verstand. Die Angst vor Ablehnung und Unverständnis war riesen groß. Also habe ich mich irgendwann meinem „Schicksal ergeben“ und völlig resigniert. Ich wusste nicht mehr weiter.

Ich war mir meiner Misere täglich bewusst

Als „Messie“ (ich finde die Bezeichnung übrigens völlig deplatziert, aber leider ist es ja nunmal die „offizielle Beschreibung“ dieser Krankheit) war ich mir meiner Misere jeden Tag bewusst. Es ist nicht so, dass ich die Türen zugeschlossen habe und danach das wachsende Chaos hinter den Türen nicht mehr da war. Ganz im Gegenteil, hämmerte es eigentlich 24/7 gegen meinen Kopf. Nicht nur, weil mein Alltag jahrelang total eingeschränkt war, ich weder kochen noch richtig schlafen und duschen konnte, sondern auch wegen der massiven Ängste und der sozialen Isolation.

Ich hatte Angst, dass ich sterbe und meine Familie enttäuscht vor diesem riesigen Haufen steht und sich fragt, wie das passieren konnte. Angst, dass mein Vermieter, meine Kollegen, mein damaliger Chef oder meine Freunde was mitbekommen. Angst, vor der kompletten Isolation. Angst, dass sich (noch mehr) Ungeziefer breit machen. Und gleichzeitig umgab mich diese unsagbare Hilflosigkeit, Überforderung und Verzweiflung. Ein verfluchter Teufelskreis.

Wer heute meine Wohnung besucht und später von meiner Vergangenheit erfährt, der kann das alles gar nicht glauben. Dass es ehemalige Messies gibt, die „normal“ aussehen und eine saubere Wohnungen haben, davon hört man halt auch selten etwas. Selbst heute traut man sich nicht darüber zu reden. Auch mir ging das oft so. Aus meiner Familie weiß, außer meinen Eltern und meinem Bruder, niemand davon. Meine Freunde waren völlig ahnungslos. Man schämt sich unendlich dafür, weil man leider immer noch viel zu oft (vor)verurteilt wird.

Was ging in Dir vor?

Die Frage wurde mir oft gestellt, man kann das aber nicht in einem Satz oder einem Artikel beantworten. Es ist eine Krankheit, die sich Jahre lang ausbreiten durfte. Jeden Abend habe ich mir vorgenommen: „Morgen, da schnappst Du Dir einfach heimlich den Anhänger von Mama und Papa und bringst alles weg!“. Aber ich konnte nicht. Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte, ekelte mich vor dem Gestank, dem Ungeziefer und ich hatte vor allem auch unfassbare Angst erwischt zu werden. Was sollen die Nachbarn sagen? Der Vermieter? Vorgesetzte? Die Mitarbeiter der Müllverbrennungsanlage? Was, wenn Kund*innen meiner Eltern mich sehen?

In dem Moment, in dem ich den Müll irgendwo hinstellte, dachte ich nicht „Scheiß drauf.“ sondern „Ich kann das jetzt nicht.“ oder „Mir ist das alles zu viel.“ „Du bist eh ne dreckige Sau und kannst gar keine Ordnung halten.“. Dieser Berg an Müll schien mir absolut unerklimmbar, sobald ich davor stand. Unendliche Überforderung, Scham und Angst.

Ich hatte Glück aber vorbei war es damit nicht

Ich hatte großes Glück, als Marius in mein Leben kam und meine damaligen Ausflüchte nicht gelten ließ. Wann immer er bei mir war, waren alle Türen (bis auf Schlafzimmer & Bad/WC) verschlossen. Ich wich dem Thema aus.

Und so brach er die Türen auf, während ich auf der Arbeit war, weil er spürte, dass ich Hilfe brauche und diese nur zulasse, wenn es jemand für mich in die Hand nimmt. Er befreite meine gesamte Wohnung von Müll & Ungeziefer.

Marius beseitigte den äußerlichen Müll und begleitet mich seit 2010 auf einem, für mich manchmal sehr steinigen, Weg. Denn mit der Beseitigung des Mülls war zwar im Außen nichts mehr sichtbar, meine Probleme und das Chaos in mir sind aber (erst mal) geblieben.

Der Müll geht, das Chaos bleibt

Sich realistisch, authentisch und wirksam mit dem Thema und den eigenen Problemen auseinander zu setzen ist wahnsinnig schwer. Anzunehmen und zu erkennen, wo meine Probleme liegen und dass nicht alles immer nur „wieder gut“ wird, sich Probleme nicht mit einem Lachen und einer geschlossenen Türe weg zaubern lassen, das war sogar verflucht schwer und schmerzlich.

Ich musste erst erkennen, dass ich mich mit dem Gedanken, dass diese Zeit im Müll nur eine „pubertäre Faulheit“ war, von der ich auch nicht so recht weiß, wie das passieren konnte, selbst belüge. Es ist eine Krankheit und mir musste zwingend geholfen werden. Das war keine Phase, kein Versehen, keine Faulheit, sondern eine logische Konsequenz, die aus meiner damaligen Lebenssituation und meiner (erst 2020 diagnostizierten ADHS) entstand.

Marius hat auf diesem „Weg der Erkenntnis“ für mich Meilensteine gesetzt und versetzt, eine Therapie hat geholfen, anzunehmen, das Marius sehr richtig lag (das fiel mir anfänglich nämlich schwer, weil ich nicht hören wollte, was real ist, er es mir aber immer wieder sagte) aber auch zu verstehen, wie das möglich war und was ich in Zukunft zu tun habe. Letzten Endes kann man sich nur selbst helfen, wenn man es auch zulässt.

Das Problem wird immer ein Teil von mir sein und bleiben. Meinen inneren Müll außen raus zu lassen hat aufgehört, der Prozess des „inneren Aufräumens“ dauert aber weiter an. Wenn es mir besonders schlecht geht, ich überfordert bin und in der Welt „schwimme“, merke ich, wie alte Verhaltensmuster an der Oberfläche kratzen. Wie ich plötzlich einfach ein Stück Papier auf den Boden werfe, Dinge stehen lasse oder z.B. im Begriff zu sein, Dreck an der Wand abzuschmieren. Nach langem Üben und bewussterem Umgang habe ich gelernt, dieses Verhalten zu erkennen und zu unterbinden, aber ich muss immer weiter üben, arbeiten und trainieren.

Hilfe Messie Syndrom

Das Wichtigste vorab, quasi von Messie zu Messie: Du bist nicht allein. Dass Du den Schritt wagst, Dich mit dem Thema zu beschäftigen und Hilfe in Erwägung zu ziehen, ist MEGA mutig. Dass es Dir schwer fällt, Du nicht weißt, wo Du anfangen sollst überfordert bist und Angst hast, ist völlig normal. Dein Problem ist lösbar und ich präsentiere Dir hier ein paar Anlaufstellen, an die Du Dich wenden kannst:

  • Messie-Hilfe-Telefon:  089 550 64 890
  • Messie Selbsthilfegruppen (Wuppertal, hier eine Übersicht anderer Städte)
  • leider gibt es (bisher und meines Wissens nach) keine auf „Messies“ spezialisierten Therapien oder Therapeuten (mir sind zumindest keine bekannt), Du findest hier aber ein paar wichtige Informationen und hilfreiche Tipps
  • Angehörige finden über das Messie-Hilfe-Telefon Hilfe: 089 550 64 890

Aus heutiger Sicht leicht gesagt, aber dennoch rückblickend für mich der aller wichtigste Schritt: vertraue Dich irgendjemandem an. Mir persönlich fällt es immer leichter, wildfremden Menschen etwas zu erzählen, als solchen, zu denen ich eine emotionale Bindung habe. Vielleicht geht es Dir auch so. Dann ist evtl. die Hotline oder eine anonyme Selbsthilfegruppe (gibt es auch als Forum) etwas für Dich?

Ich hoffe, dass der eine oder die andere Mut findet, sich Hilfe zu holen oder jemandem zu helfen. Dass ein paar von Euch etwas weniger kritisch über Messies denken und im Alltag etwas sensibler mit dem Thema umgehen. Und natürlich hoffe ich auch, dass ich ein paar inspirieren konnte, ihre eigenen Probleme anzugehen!


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17 Antworten auf „Ich war ein Messie“

Wow, beeindruckender Artikel den du da geschrieben hast! Dadurch bekommt man einen sehr guten Eindruck aus der Sicht des Erkrankten. Danke hierfür!

Mein Respekt und meine Hochachtung für Deinen Bericht. Paß Dich nicht unterkriegen in Deinem Kampf…
Ich kenne so etwas nicht ,habe aber schon Blider gesehen und könnte es nicht verstehen. Durch Deinen sehr offenen Bericht , sehe ich es mit anderen Augen.
Ich habe Deinen Bericht sehr gerne geteilt…
Liebe Grüße, Renate

Liebe Renate,

vielen Dank für deine Worte. Ich freue mich unglaublich, dass ich dein Bild etwas gerade rücken konnte :-) Danke, dass Du mir geschrieben hast!

Du Liebe, ich hatte keine Ahnung und den Post damals wohl verpasst. Wow, toll dass du so offen bist, mutig und selbstbewusst. Du bist eine schöne Persönlichkeit und ein vielschichtiger Charakter mit großem Herz. Deswegen halte ich nichts von voreiligen Schlüssen, Menschen die schnell über andere richten, die sie nicht kennen und nicht wissen welchen Rucksack jemand trägt, wie schwer er ist und warum er ihn trägt.
Du bist so stark…vergiss das nie! Du bist ein Geschenk…ja, dass meine ich ganz ernst.
Hut ab vor deinem Mut und der Selbstreflektion. Bleib dran und in Balance mit deinem innerem Chaos.
Und ja Marius ist Dein Engel und ein Segen wie man so schön sagt.
Ich teile es gerne.
Alles Liebe
Juli

Herzlichen Dank für deine offene Art und deine ehrlichen Worte.
Wir machen es grade zum 2 mal mit meinem Sohn durch und er hat auch noch Depressionen und es geht uns alle an die Nieren.
Es bedeutet für ihn soviel Kraft aufzuwenden um einen Schritt nach dem anderen zu machen. Ich kann dich sehr gut verstehen, was ich leider nicht verstehe das es immer noch viele Menschen nicht die Krankheiten akzeptieren . Oder einfach sagen ach das ist ja nicht so schlimm . Vielen lieben Dank für den tollen Bericht
#ichhabsgecheckt

Krass! Hammer Beitrag & ein großes Dankeschön für Deinen Mut & Deine Offenheit! Ich persönlich kann mich schlecht in soetwas hineinversetzen, da ich schon die Krise kriege, wenn nur mein Wagen unordentlich ausschaut ?

Es freut mich sehr, dass Du jemanden gefunden hast, der so bedingungslos hinter Dir steht & Dich dabei unterstützt, nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen! Top!

Lieben Gruß
Franny

Hey Franny,

danke für deinen Kommentar.
Ich glaube man kann sich grundsätzlich schwer in die Krankheit und das Leiden eines anderen hineinversetzen, weil es eben immer total divers ist. „Messie sein“ hat nichts mit „Ich mag es unordentlich“ zu tun. Genauso wie Depressive nicht „einfach nur mal traurig sind“. Alles unterschiedliche Formen psychischer Erkrankungen. Und wenn man da nicht selbst betroffen ist oder sich viel damit beschäftigt, ist es ganz schwer, für das Bild der Unordnung und des Drecks oder bei Depressiven für die ewige Traurigkeit Empathie zu entwickeln.

„Räum doch einfach auf“ und „Denk doch einfach mal positiv“ – ich glaub die meisten Betroffenen würden sich wünschen, dass es genau so leicht ist. Leider sind es aber Krankheiten, die meist ein Leben lang Aufmerksamkeit beanspruchen.

Und jaaa, Marius ist wirklich Gold wert, so ganz generell :-))

Stimmt, da hast Du Recht! Ich habe eine Autoimmunerkrankung (Schilddrüse) und das kann sich eben in besagten Depressionen äußern, wenn die Werte schlecht sind. Da kann man dann auch machen, was man möchte…man schafft es irgendwie kaum, sich aufzuraffen & den Alltag zu bestreiten! Ich wünsche Dir jedenfalls, dass es immer so bleibt, wie es jetzt ist! Du scheinst ja Deine Mitte gefunden zu haben ;-)

GLG Franny

Liebe Sandra,
erstmal Respekt, dass du mit Hilfe von Marius und langer stetiger Arbeit aus dem ganzen rausgekommen bist und weiterhin an dir arbeitest nicht in das gleiche Muster wieder reinzugeraten. Ich stelle mir schon länger die Frage: Wie kann ich einer betroffenen Person helfen, wenn sie einerseits die Hilfe möchte auch sagt „ich brauche Hilfe“ aber andererseits diese Hilfe ablehnt und sagt: „nein! ich schaffe es alleine, ich muss das alleine machen“ usw. Aber gar nichts passiert, weil einfach eine Hilfe von Außen wirklich notwendig ist? Ich weiß einfach nicht mehr weiter, wie ich meiner Schwester helfen kann. Wie sie auch selber sich helfen könnte. Manchmal möchte ich einfach wie Marius es bei dir gemacht hat in die Wohnung rein, alles entsorgen und wenn sie abends nachhause kommt sieht alles blitzeblank aus. Habe aber dennoch Angst vor der Reaktion und der möglichen Abweisung, weil man in die Privatsphäre der Person eingedrungen ist.

Liebe Lucy,
danke für deinen Kommentar und deine Wertschätzung <3

Was die Situation rund um deine Schwester angeht:
das ist ein ganz schwieriges Thema und ich kann diesen Zwiespalt, in dem du dich befindest, total fühlen.
Hätte man mich früher gefragt, hätte ich auch immer gesagt "Ich schaffe das alleine." Nicht nur, weil ich es WIRKLICH alleine schaffen wollte, sondern auch weil ich niemals aktiv gewollt hätte, das jemand in meinem Chaos rumwühlt. Scham spielt da eine enorme Rolle. Gemeinsam diesen ganzen Unrat zu beseitigen und live dabei zu sein, während jemand anderes in meinem Müll wühlt, das wäre vermutlich unerträglich für mich gewesen.

Ich erinnere mich daran, dass Marius und ich meinen Kühlschrank gemeinsam runter getragen haben auf den Sperrmüll. Das war in vielerlei Hinsicht der Horror für mich. Denn der Kühlschrank war voller (toter) Maden und ihren Puppen, sowie alter Lebensmittelreste. Ich habe mich so geschämt und hatte gleichzeitig auch wahnsinnig Angst, dass die Menschen von der Müllabfuhr den Kühlschrank ablehnen, dass meine Eltern den Kühlschrank sehen oder jemand aus der Nachbarschaft gesehen hat, dass das mein Kühlschrank ist.

Das was Marius gemacht hat war eine absolute Gratwanderung und in jedem Fall auch ein Stück weit eine Grenzüberschreitung. Der Gefahr einer abweisenden Reaktion war er sich einigermaßen bewusst. Was aus meiner Sicht aber auch bedacht werden muss als Risiko: warum hat deine Schwester ihr Problem? Hat sie Verlustängste und kann sich deshalb ggf. nicht von Dingen trennen? Dann wäre die Gefahr, sie zu traumatisieren enorm hoch.

Bei mir war es eine komplette Überforderung, emotional habe ich keinerlei Bindung zu meinem Müll gehabt. Deshalb war es für mich auch okay, dass Marius so gehandelt hat. Ich habe mich zwar kurzfristig auch geschämt, aber er hat mir so authentisch das Gefühl gegeben, dass das alles gut so ist und er mich dafür nicht abwertet, dass das Gefühl noch am selben Abend verflog. Sicherlich auch, weil letzten Endes die Erleichterung über dieses riesen große Paket, das mir genommen wurde, überwog.

Hast du deine Schwester mal gefragt, wie sie reagieren würde, wenn ihr Müll "weggezaubert" werden könnte? Vielleicht kannst du auf diese Art herausfinden, wie sie dazu steht. Sofern sie keine Therapie macht, ist der erste Weg möglicherweise auch erst mal der, gemeinsam jemanden zu finden.

Für mich ist eine Sache klar: man schafft das nicht ohne Hilfe UND man muss gleichzeitig, zumindest einen Funken, bereit sein, Hilfe anzunehmen und etwas zu verändern. Mit dem Ausräumen der Wohnung fängt die eigentliche Arbeit nämlich erst an. 💜

Viele vom Messie-Syndrom betroffene Personen fürchten tatsächlich, auf Unverständnis und Ablehnung bei ihren Mitmenschen zu stoßen. Dabei ist mittlerweile erforscht, dass es sich um eine psychische Krankheit handelt, welche verschiedene Ursachen haben kann und auch erfolgreich therapiert werden kann. Allerdings hat ein Vermieter das Recht, eine Haushaltsauflösung vornehmen zu lassen, wenn seine Wohnung droht, aufgrund mangelnder Hygiene unbewohnbar zu werden.

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